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„Die beste Therapie ever“ - Gee Hye Lees Ausflug in den Korea-Jazz

Du bist über klassische Musik in das Klavierspiel eingestiegen, bevor du mit 19 zum Jazz kamst. Welche klassische Musik hat dich beeinflusst? 

Romantische Klaviermusik habe ich am liebsten gemocht, vor allem Chopin, später auch Liszt. Als es zur Berührung mit Jazz kam, fand ich Prokofjew und Ravel, also moderne Sachen, ganz toll. Und ich würde behaupten, inzwischen verstehe ich die Musik von Johann Sebastian Bach ein wenig (lacht).

Hat dir das eher geholfen für den Jazz, oder war es wie ein neues Leben, mit Jazz anzufangen?

Jazz war etwas ganz Anderes. Am Anfang, in den ersten zwei Jahren, hatte ich auch ziemliche Probleme. Da kam ich harmonisch und beim Anschlag nicht gut klar mit Jazz, weil ich die Technik aus der Klassik übernommen hatte. Und wenn Jazz zu sehr mit einem klassischen Touch gespielt wird, dann klingt das, ich will nicht sagen kitschig, sondern eher bitter (lacht). 

Du hast in Stuttgart und in Boston, USA, Jazz studiert. Hast du lange gebraucht, um dich in die jeweilige Kultur einzuleben? 

Ich musste 1996 ja ins Ausland gehen, da man damals in Korea keinen Jazz studieren konnte. Meine Familie ist zwar konservativ, aber sehr aufgeschlossen. Ich bin westlich geprägt, also war es kein Schock für mich, als ich nach Deutschland kam. Ich war in gewisser Weise schon angepasst. Und als ich nach Amerika kam, ging es mir genauso.

Im Album „Parangsae“ interpretierst du traditionelle koreanische Musik für den Jazz. Gibt es zwischen den Genres Gemeinsamkeiten, die den Brückenschlag vereinfachen?

Die Gemeinsamkeit ist, dass auch traditionelle koreanische Musik improvisiert ist. Die Themen wurden in Korea früher nicht schriftlich festgehalten. Sie unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Landesteil, aus dem die Musik kommt. Es gibt eine überlieferte Melodie aus einer Provinz, zu der ich als Musikerin improvisieren kann. Die Rhythmen der traditionellen koreanischen Musik sind aus meiner Sicht allerdings sehr schwer, nicht so komplex wie zum Beispiel in der indischen Musik, wo es über 100 verschiedenen Rhythmen gibt, die auf rätselhafte Weise miteinander zusammenhängen, aber zugleich freier als in der europäischen Musiktradition, wo alles ausnotiert ist.  

Bist du erst zum jetzigen Zeitpunkt, 2022, auf die Idee gekommen, koreanische Musik und Jazz zu kombinieren? Oder begleitet dich das schon länger? 

Ich wollte die Kombination eigentlich immer schon mal ausprobieren, kam aber nie dazu. Die Gelegenheit ergab sich durch den Lockdown in der Corona-Zeit, wo ich sooo viel zu Hause saß. Ich konnte da nicht verreisen und meine Familie in Seoul nicht besuchen. Daher hatte ich wahnsinnig viel Heimweh. Ich überlegte, wie ich die Zeit am besten nutzen konnte und entschied mich, das Projekt anzugehen. Also habe ich die koreanische Sängerin Song Yi Yeon kontaktiert. Ich habe sie vor 10 Jahren zufällig auf einem Konzert kennengelernt und bin ein Fan von ihr geworden. Die für das Album "Parangsae" geschriebene Musik war für mich ein Stück Heimat. 

Musik kann Trost spenden. Würdest du sagen, dass Musik auch Therapie sein kann?

Die beste Therapie ever! In der Corona-Zeit war ich so dankbar und habe wirklich gesagt: Danke, Musik, dass es dich gibt. 

Staatliche Unterstützung konnte die Auswirkungen der konzertfreien Zeit abmildern. Als wie hilfreich hast du die Unterstützung empfunden? 

Ich war sehr dankbar dafür, wie Deutschland geholfen hat und froh, dass ich in Baden-Württemberg lebe. Das Land hat viel Unterstützung großzügig rausgeballert. 

Es gibt einige Bands, die koreanische Musik und Jazz kombinieren und damit Erfolge feiern, vor allem in Korea. Möchtest du den Weg fortgehen, auch wenn die gesellschaftlichen Bedingungen hierzulande andere sind? 

Das weiß ich nicht, aber ich würde mich selbstverständlich freuen, wenn ich diese Mischung noch öfter präsentieren könnte. Im Oktober 2022 haben wir auf einem Festival in Korea gespielt, mit koreanischen Texten und Jazz-Bands. Das war sehr schön. Seit ungefährzehn Jahren ist die Jazzszene in Korea superaktiv. Jazz hat sich in dem Land erst spät in ganzer Breite etabliert. Aber viele Menschen sind verrückt nach Jazz. Es geht zu wie auf einem Rockkonzert, wo die Fans schreien und tanzen. Das erlebt man in Deutschland leider selten. Das Publikum ist auch deutlich jünger als bei uns, durchschnittlich sind viele zwischen 30 und 40. Ich war ganz stolz, als ich gesehen habe, dass so viele junge Menschen Jazz als Kunst feiern.