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„The Blues got Soul“ Al Jones und die Blues-Klassiker

Was sind deine frühesten Erinnerungen an Blues-Musik?

Die stammen von meinem Vater und seiner Schallplattensammlung her. Da war Fats Domino und so weiter dabei. Eine Initialzündung für den richtungsweisenden Blues der 1960er Jahre war allerdings das amerikanische Folk Blues Festival 1962. Das wurde tagsüber im Fernsehen übertragen. Damals war ich noch keine 12 Jahre alt. An T-Bone Walkers Auftritt kann ich mich noch ganz genau erinnern. Er hat eine L5 Gibson gespielt, eine Jazzgitarre mit drei Pick Ups, und hat das Instrument nicht normal am Arm hängen gehabt, sondern gerade nach vorne aufgestellt. Später habe ich mir die LPs der legendären Folk Blues Festivals zwischen 1962 und 1967 gekauft und bin damals völlig ausgeflippt, zum Beispiel auf Otis Rush und Junior Wells und viele andere.

Hat dich stets mehr der authentische Blues der Afroamerikaner interessiert oder auch der geradlinige Blues-Rock, den Bands wie die Rolling Stones oder die Yardbirds entwickelt haben?

Beides. Als ich im Alter von 12 Jahren meine erste Gitarre von meinem Vater bekommen habe, erlebte Beat-Musik und die Beatles ihren Durchbruch, dann die Rolling Stones, die ja am Anfang im Grunde Blues gespielt haben. Die Animals und The Who haben mich auch sehr beeindruckt.

Mitte der 1960er Jahre gab es in den USA und in England eine regelrechte Blues-Explosion. Wie hast du die Situation in Deutschland erlebt? War das ein mediales Phänomen oder auch live erlebbar?

Live war für mich wenig erlebbar. Ich komme ja aus Weiden in der Oberpfalz. Mit 13 oder 14 habe ich einmal eine Beat-Band aus Schweden namens Highballs gesehen, die im Sportheim gespielt haben.

Deine eigene musikalische Entwicklung ging früh los und du giltst heute als ein Mann der ersten Stunde in Sachen Blues-Musik in Deutschland und in Europa. Wie kam das?

1966, also mit 15 Jahren, habe ich gemeinsam mit gleichaltrigen Freunden in einer Band erste musikalische Gehversuche unternommen. Bei Klassenabenden und so genannten Cola-Bällen für Jugendliche sind wir als Trio aufgetreten und haben zwei oder drei Stücke zum Besten gegeben. Schon damals waren wir voll auf den Blues eingeschossen. Blues-Musik und Informationen über den Blues haben wir vor allem über Schallplatten aufgeschnappt und über den Journalisten und Produzenten Joachim-Ernst Berendt. Als die Jazzrock-Formation Embryo 1969 nach Weiden kam, durften wir in einer großen Halle als Vorband spielen. Das war ein wichtiger Schritt. Ralph Fischer, der Bassist von Embryo, und der Gründer der Band, Christian Burchard, waren offenbar sehr angetan von uns und luden mich nach München ein, da die Gruppe einen Ersatz für ihren E-Gitarristen suchte. Ich spielte dann mit 17 ein Jahr lang bei Embryo und habe da sehr viel gelernt. Nach Embryo habe ich in München in vielen Soul-Kneipen gespielt und nebenher gearbeitet, um Geld zu verdienen. 1977 gründete ich dann wieder eine Bluesband mit meinem musikalischem Weggefährten Oskar Pöhnl und begann mit finanzieller Unterstützung meiner damaligen Frau eine professionelle Karriere. 

Du hast mit vielen Legenden des Blues zusammengearbeitet und sie auf Tour begleitet – Champion Jack Dupree, Sonny Rhodes, Louisiana Red, um nur ein paar zu nennen. Wie war die Atmosphäre bei der Zusammenarbeit mit diesen Musikern? Und mit welchen Musikern hast du die Zusammenarbeit am meisten genossen?

Die Art der Zusammenarbeit war sehr unterschiedlich. Sonny Rhodes zum Beispiel musste man sehr betreuen, weil er Drogenprobleme hatte. Der Blues-Sänger und Pianist Tommy Tucker war dagegen völlig drogenfrei und hat alles völlig selbstständig gemeistert. Mit den Großen des Blues zusammenzuspielen, war eine wahre Pracht. Andererseits war es auch desillusionierend, weil sie einfach so unvergleichlich gut waren. Wir haben sie als Begleitband zwar gut bedient, aber den musikalischen Unterschied hat man schon gemerkt. Die schönsten Erlebnisse verbinde ich mit Louisiana Red. Mit ihm zu spielen, hat mich sehr berührt, das waren Highlights. Er hat in Hannover gelebt und wir sollten ihn auf vielen Tourneen durch ganz Europa begleiten. Die Agentur hätte ihm auch eine amerikanische Begleitband besorgt, aber er war mit uns hochzufrieden. Gemeinsam haben wir gigantisch große Gigs absolviert, in riesigen Theatern.

Der Jazzkeller Bamberg hat dagegen eine familiäre Atmosphäre. Du warst bislang ein Dutzend Mal hier mit der Al Jones Blues Band zu Gast. Was verbindest du mit dem Club und dem Keller?

Ich persönlich spiele sehr gerne in Kneipen wie dem Jazzclub Bamberg, denn da gehört der Blues meiner Meinung nach auch hin. In großen Hallen und auf Festivals läuft das Showbusiness. Da verdient man auch mehr Geld. Aber in Kneipen hat man die Menschen direkt vor sich sitzen und kann sich mit ihnen unterhalten. Das ist mir persönlich am liebsten.

Was sind musikalische Favoriten bzw. Lieblingsalben, zu denen du immer wieder zurückkehrst?

Ich bin ein Hardcore-Bluesfan. Ich höre regelmäßig Otis Rush, Albert King, B.B. King. T-Bone Walker gehört seit dem Folk Blues Festival zu meinen absoluten Favoriten. Was er mit der Gitarre gemacht hat, ist für mich heute noch der schiere Wahnsinn. Jazz begleitet mich ebenfalls schon das ganze Leben. Meine Lieblingsplatte ist „A Day in the Life“ von Wes Montgomery. Die habe ich schon als 16-Jähriger gehabt. Sonny Rollins und John Coltrane habe ich schon ganz früher rauf und runter gehört. Die Musik der 60er Jahre hat so viel Faszinierendes in kurzer Zeit hervorgebracht, ob im Blues und im Jazz, in der Soul-Musik, im Folk, im Rock. Viele Genres waren in der Zeit noch ganz nah beieinander. Rockmusiker wie Jimi Hendrix haben Charlie Parker und John Coltrane gehört und sich davon beeinflussen lassen und Jazzer wie Tony Williams haben Rock auf sagenhafte Weise adaptiert. Muddy Waters hat einmal treffend gesagt „The Blues got Soul“. Das war, bevor es Soul überhaupt gegeben hat.